Missachten die Zeugen Jehovah die Worte Jesu?
Verfasst: Fr 13. Mai 2011, 12:16
Missachten die Zeugen Jehovah die Worte Jesu?
Die Zeugen Jehovah ziehen von Haus zu Haus und predigen und verbreiten ihre Botschaft. Doch Jesus in der Bibel Lukas 10 Vers 7 sagt: GEHET NICHT VON HAUS ZU HAUS!
Wie denkt nun sogar ein Theologe darüber? Ich zitiere den Theologen FRANK auf http://www.sektenausstieg.net/zeugen-je ... usern.html
"Von Haus zu Haus" oder "in Privathäusern"?
Und jeden Tag fuhren sie im Tempel und von Haus zu Haus [kat' oikon] ununterbrochen fort, zu lehren und die gute Botschaft über den Christus, Jesus, zu verkündigen.
Apostelgeschichte 5:42, Neue-Welt-Übersetzung
Zeugen Jehovas glauben, dass sie verpflichtet sind, den Menschen zu predigen, indem sie "von Haus zu Haus" gehen. Die Einheitsübersetzung gibt die oben zitierte Stelle mit "in den Häusern" wieder. Bei Luther ist dies nicht anders. Würden sie den obigen Schrifttext mit anderen Bibelübersetzungen vergleichen, würden sie sich vielleicht wundern, dass sie sich nicht auf dem Weg "von Haus zu Haus" befinden, sondern "in den Häusern". Das heißt nicht, dass die Wiedergabe in der NWÜ falsch ist, auch wenn ich eine solche Übersetzung für unglücklich halte. Auch die Züricher Bibel sowie die englische Übersetzung von Matthew Henry übersetzt dies so. Es kommt darauf an, welchen Sinn die WTG vermitteln möchte, wenn sie in ihren Schriften diese Schriftstelle erläutert. Hieran sieht man aufs Neue, wie wichtig es ist, verschiedene Bibelübersetzungen zu vergleichen.
Im Folgenden wird näher auf die griechische Wendung kat' oikon einzugehen sein. Um die Bedeutung zu verstehen, muss man sich darüber im Klaren sein, welche Funktion griechische Grammatik in dem einen oder anderen Fall ausübt. Wie oben im Schrifttext in Klammern bereits darauf hingewiesen wird, ist "von Haus zu Haus" die Wiedergabe des griechischen kat' oikon. Wörtlich bedeutet es "hausweise" oder "Haus für Haus". Die griechische Wendung besteht aus der Präposition katá (wörtl. hinab, zurück, völlig) und dem Akkusativ oikon ((den) Haus) wobei bei katá das Alpha (á) wegfällt und durch einen Apostroph ersetzt wird, wenn das darauffolgende Wort mit einem Vokal beginnt (kat'). Deshalb steht dort kat' oikon und nicht katà oikon. Es steht hier in der 3. Person Akkusativ Singular. Die gleichen Wendungen im gleichen Kasus begegnen im Neuen Testament auch im Plural. Sind wir bisher gewohnt, dass wir im Neuen Testament stets auf die Stelle "von Haus zu Haus" stoßen, dann muss es - sofern man weiß, dass es hier die gleiche griechische Wendung ist - überraschen, wenn wir in Apostelgeschichte 2:46 der NWÜ ausnahmsweise mal die Übersetzung "in Privathäusern" antreffen:
Und Tag für Tag waren sie fortgesetzt einmütig im Tempel anwesend, und sie nahmen ihre Mahlzeiten in Privathäusern [kat' oikon] ein und nahmen mit großer Freude und Aufrichtigkeit des Herzens Speise zu sich…
Es kommt in der NWÜ nur einmal vor. Es würde hier natürlich auch keinen Sinn machen, die Mahlzeiten einzunehmen, indem man von "Haus zu Haus" geht. Aber die wahre Bedeutung von kat' oikon lässt sich schon erahnen. In Apostelgeschichte 20:20 begegnen wir ebenfalls die Wendung "von Haus zu Haus". In der Regel steht oíkos (Haus) im Singular. In Apostelgeschichte 20:20 steht es im Plural (oíkous). In Verbindung mit katá steht oíkos stets im Akkusativ. In Apostelgeschichte 2:46 steht also einmal kat' oikon (Singular) und in Apostelgeschichte 20:20 steht kat' oíkous (Plural). In der Interlinear bei Dietzfelbinger steht in Apostelgeschichte 2:46 "in jedem Haus". Dies würde dem Singular gerecht werden. Erläuternd steht dort noch in Klammern: "= in den einzelnen Häusern". In Apostelgeschichte 20:20 steht: "in (den einzelnen) Häusern". Dies nur marginal, was aber keinen Einfluss auf das Verständnis darüber hat, ob mit katá nun "in Privathäusern" oder "von Haus zu Haus" gemeint ist. Selbst in der Interlinearübersetzung der Wachtturm-Gesellschaft steht in der englischen wörtlichen Wiedergabe "according to houses" (gemäß Häusern). Dort steht nicht "from house to house" (von Haus zu Haus). Entscheidend über das Verständnis darüber, ob nun "von Haus zu Haus" im dem Sinne, wie Zeugen Jehovas es verstehen, gemeint ist oder nicht, wird durch die griechische Präposition katá klar werden.
Zunächst ist festzuhalten, dass katá an all den obigen Stellen "distributiv" (also im übertragenen Sinne) zu verstehen ist. Um zu zeigen, was mit "distributiv" gemeint ist, seien anhand des Grammatikbuches von Bornemann/Risch folgende Beispiele für die distributive Anwendung der Präposition katá angeführt (die griechischen Wörter habe ich transliteriert): kat' ándra = Mann für Mann kath' heméran = täglich kat' étos oder kat' eniautón = alljährlich. Weitere Beispiele für den distributiven Gebrauch (Siehe auch http://www.gottwein.de/GrGr/praepos01.php#kata3): katà dúo tetáchthai = zu zweien aufgestellt sein katà komas oikein = in Dörfern (dorfweise) wohnen katà táxeis = truppweise, abteilungsweise kat' éthne = völkerweise. Die griechische Wendung kat' oikon ließe sich also auch mit "hausweise" übersetzen (oder "Haus für Haus", siehe Exegetisches Wörterbuch zum Neuen Testament, Bd. 2, Sp. 625), denn so heißt z.B. auch katà phyla oder katà éthne "völkerweise" (Griechisch-deutsches Schul- und Handwörterbuch von GEMOLL). Und auch hier wird katá distributiv gebraucht. Im GEMOLL finden sich noch weitere Beispiele. Dort heißt z.B. katà pólin "von Stadt zu Stadt". Kat' ekklesían presbýteroi heißt "die Älteren in jeder Gemeinde [Kirche]". In der Fußnote der NWÜ findet sich zwar zu Apostelgeschichte 5:42 eine ausführlichere Erklärung, wobei theologische Lexika zitiert werden. Aber dennoch lässt die WTG offen, welche Funktion die Präposition katá hier anzuwenden hat.
Dass "Haus zu Haus" auch eine korrekte Übersetzung ist, bestreitet zwar niemand. Aber der Sinn, der hier vermittelt werden soll, ist tendenziös, um nicht den Gedanken aufkommen lassen, Paulus habe in den Häusern gepredigt und gelehrt. Freilich: Es gibt Stellen im Neuen Testament, die aber genau diesen Sinn, wie Zeugen Jehovas es wünschen, zu vermitteln scheinen. In Lukas 8:1 heißt es:
Kurz danach begann er von Stadt zu Stadt [katà pólin] und von Dorf zu Dorf [katà komen] zu ziehen, wobei er predigte…
Die gleiche Wendung begegnet auch in Lukas 13:22. Hier muss man aber bedenken, dass das Verb "ziehen" (gr. diodeuen) ein Satzbestandteil ist. Jesus predigte also "städteweise". Und selbstverständlich erfordert das städteweise predigen, dass man sich aufmacht und in die nächstgelegene Stadt reist oder zieht. In dieser Form begegnen wir jedoch im Neuen Testament niemals "von Haus zu Haus ziehen", also gewissermaßen, dass die Jünger von Haus zu Haus "zogen", um zu predigen. In Lukas 10:7 werden Christen im Gegenteil sogar aufgefordert: "Zieht nicht von einem Haus in ein anderes um". So wie jedoch die WTG den Sinn vermitteln möchte, müsste es im Griechischen demnach heißen: apò oikou eis oikon (von Haus zu Haus). Genau diese Wendung findet sich in Matthäus 23:34: "von Stadt zu Stadt" (apò póleos eis polín). Hier geht es darum, dass Jesus den Schriftgelehrten und Pharisäern sagt, sie würden die Propheten und Weisen "von Stadt zu Stadt verfolgen". Sie werden also nicht "städteweise", also innerhalb jeder einzelnen Stadt verfolgt (katá), sondern von einer Stadt zur nächsten. Die Präposition apó bezeichnet im Griechischen eine Bewegung: "von-weg" oder "von-her". Die Präposition eis bedeutet: "in-hinein" oder "in" (Sinn: wohin?) sowie "auf, nach, zu, gegen". Wenn also Zeugen Jehovas von Haus zu Haus gehen, dann verstehen sie darunter, dass sie sich von einem Haus weg- (apó) und zum nächsten Haus hinbewegen (eis). Sie verstehen es somit nicht distributiv "in den Häusern" oder "hausweise". Mit Fug und Recht könnten sie es jedoch in Bezug auf Heimbibelstudien behaupten. Folgt man der Funktion des griechischen katá, dann antwortet die Übersetzung "von Haus zu Haus" aus meiner Sicht nicht auf die Frage "wohin?", es sei denn, hiermit ist ein Verb wie "ziehen" oder "verfolgen" verbunden, sondern auf die Frage "wie?" oder "wo?". Die Antwort lautet: "hausweise" (als Adverb) oder "in den Häusern". Vergleicht man also die Stellen Lukas 1:8 und Lukas 13:22, wo die Präposition katá begegnet, mit Matthäus 23:34, wo nicht etwa katà vorkommt, sondern ein Substantiv durch zwei Präpositionen (apò und eis) verbunden wird, dann wird klar, dass bei den ersten beiden Stellen Lukas 1:8 und Lukas 13:22 katá den Sinn von "städteweise" vermitteln will und nicht den Sinn: "von (einer Stadt) weg" (apó) zur nächsten Stadt "hin" (eis). Apostelgeschichte 15:21 lässt den Sinn sehr deutlich werden, wenn es dort heißt: Denn seit alten Zeiten hat Moses von Stadt zu Stadt [katà pólin] solche gehabt, die ihn predigen, weil er in den Synagogen an jedem Sabbat vorgelesen wird." Hier geht es darum, dass Moses nicht etwa solche gehabt hat, die "von Stadt zu Stadt" zogen und ihn predigten, sondern, darum, dass es in mehreren Städten (= städteweise oder "Stadt für Stadt") solche gab, die ihn predigten. Und so wird auch klar, wie Apostelgeschichte 5:42 zu verstehen ist. Im Theologischen Wörterbuch zum Neuen Testament (Gerhard Kittel, Gerhard Friedrich) wird erklärt:
…und Ag 5, 42 faßt ebenso zusammen, daß man im Tempel und in den Häusern (kat' oíkon) lehrt und die frohe Botschaft verkündigt. Bd. V, S. 133
Und zu Apostelgeschichte 20:20 wird dort weiter erklärt:
Der Apostel kennt also neben der öffentlichen Volkspredigt eine Unterweisung in den Hausversammlungen der Gemeinde.
Ebd.
Es gibt aber m.E. noch einen weiteren Grund, warum der Sinn, wie es die WTG vermitteln will, nicht zutreffen kann. Im Griechischen steht z.B. in Apostelgeschichte 20:20 didáxai (von der Stammform didásko). Es bedeutet "lehren, belehren, unterrichten". Und so gibt dies auch die NWÜ korrekt wieder. Nun ist es nur schwer vorstellbar, dass man damals von Tür zu Tür zog, um zu "lehren". Man kann sich aber dagegen sicherlich sehr gut vorstellen, dass in den Häusern gelehrt wurde. Zwischen Tür und Angel lässt es sich eben schlecht "unterrichten". Man setzt sich zusammen hin, und dann lehrt oder unterrichtet man. Trotz korrekter, aber tendenziöser Übersetzung in der NWÜ, muss natürlich in den Wachtturmschriften "nachgeholfen" werden, damit die Leser begreifen, was sie unter "Haus zu Haus" eigentlich zu verstehen haben. Damit wird die Grundlage dafür geschafft, Zeugen Jehovas zum Haus-zu-Haus-Dienst zu verpflichten. Auf die Funktionen der Präposition katá wird dabei freilich nicht eingegangen. Es werden lediglich Lexika zitiert, die die Meinung der WTG zu stützen scheinen. Selbst wenn die Christen damals von Tür zu Tür gezogen wären, könnte man daraus keine allgemeinverbindliche Regel ableiten, weil es davon abhängt, in welchem Kulturkreis man lebt. In den USA ist z.B. der Straßendienst nicht üblich. Jedenfalls habe ich es dort noch nie feststellen können. In den Versammlungen der Zeugen Jehovas ("Königreichssaal"), die ich dort besucht habe, haben sich die Brüder und Schwestern immer für den Haus-zu-Haus-Dienst verabredet. Selbst in New York, wo ich zweimal war, habe ich nicht einen Zeugen im Straßendienst gesehen.
So sehr auch die WTG bemüht ist, in ihren Schriften einen Sinn zu vermitteln, den die heilige Schrift nicht hergibt, andere Bibelübersetzungen zeigen deutlich, welchen Sinn kat' oíkous in Wahrheit vermittelt.
(Wenn nicht anders angegeben, sind die Schriftstellen der NWÜ entnommen. Griechische Wörter in Zitaten aus theologischen Lexika werden von mir transliteriert)
Die Zeugen Jehovah ziehen von Haus zu Haus und predigen und verbreiten ihre Botschaft. Doch Jesus in der Bibel Lukas 10 Vers 7 sagt: GEHET NICHT VON HAUS ZU HAUS!
Wie denkt nun sogar ein Theologe darüber? Ich zitiere den Theologen FRANK auf http://www.sektenausstieg.net/zeugen-je ... usern.html
"Von Haus zu Haus" oder "in Privathäusern"?
Und jeden Tag fuhren sie im Tempel und von Haus zu Haus [kat' oikon] ununterbrochen fort, zu lehren und die gute Botschaft über den Christus, Jesus, zu verkündigen.
Apostelgeschichte 5:42, Neue-Welt-Übersetzung
Zeugen Jehovas glauben, dass sie verpflichtet sind, den Menschen zu predigen, indem sie "von Haus zu Haus" gehen. Die Einheitsübersetzung gibt die oben zitierte Stelle mit "in den Häusern" wieder. Bei Luther ist dies nicht anders. Würden sie den obigen Schrifttext mit anderen Bibelübersetzungen vergleichen, würden sie sich vielleicht wundern, dass sie sich nicht auf dem Weg "von Haus zu Haus" befinden, sondern "in den Häusern". Das heißt nicht, dass die Wiedergabe in der NWÜ falsch ist, auch wenn ich eine solche Übersetzung für unglücklich halte. Auch die Züricher Bibel sowie die englische Übersetzung von Matthew Henry übersetzt dies so. Es kommt darauf an, welchen Sinn die WTG vermitteln möchte, wenn sie in ihren Schriften diese Schriftstelle erläutert. Hieran sieht man aufs Neue, wie wichtig es ist, verschiedene Bibelübersetzungen zu vergleichen.
Im Folgenden wird näher auf die griechische Wendung kat' oikon einzugehen sein. Um die Bedeutung zu verstehen, muss man sich darüber im Klaren sein, welche Funktion griechische Grammatik in dem einen oder anderen Fall ausübt. Wie oben im Schrifttext in Klammern bereits darauf hingewiesen wird, ist "von Haus zu Haus" die Wiedergabe des griechischen kat' oikon. Wörtlich bedeutet es "hausweise" oder "Haus für Haus". Die griechische Wendung besteht aus der Präposition katá (wörtl. hinab, zurück, völlig) und dem Akkusativ oikon ((den) Haus) wobei bei katá das Alpha (á) wegfällt und durch einen Apostroph ersetzt wird, wenn das darauffolgende Wort mit einem Vokal beginnt (kat'). Deshalb steht dort kat' oikon und nicht katà oikon. Es steht hier in der 3. Person Akkusativ Singular. Die gleichen Wendungen im gleichen Kasus begegnen im Neuen Testament auch im Plural. Sind wir bisher gewohnt, dass wir im Neuen Testament stets auf die Stelle "von Haus zu Haus" stoßen, dann muss es - sofern man weiß, dass es hier die gleiche griechische Wendung ist - überraschen, wenn wir in Apostelgeschichte 2:46 der NWÜ ausnahmsweise mal die Übersetzung "in Privathäusern" antreffen:
Und Tag für Tag waren sie fortgesetzt einmütig im Tempel anwesend, und sie nahmen ihre Mahlzeiten in Privathäusern [kat' oikon] ein und nahmen mit großer Freude und Aufrichtigkeit des Herzens Speise zu sich…
Es kommt in der NWÜ nur einmal vor. Es würde hier natürlich auch keinen Sinn machen, die Mahlzeiten einzunehmen, indem man von "Haus zu Haus" geht. Aber die wahre Bedeutung von kat' oikon lässt sich schon erahnen. In Apostelgeschichte 20:20 begegnen wir ebenfalls die Wendung "von Haus zu Haus". In der Regel steht oíkos (Haus) im Singular. In Apostelgeschichte 20:20 steht es im Plural (oíkous). In Verbindung mit katá steht oíkos stets im Akkusativ. In Apostelgeschichte 2:46 steht also einmal kat' oikon (Singular) und in Apostelgeschichte 20:20 steht kat' oíkous (Plural). In der Interlinear bei Dietzfelbinger steht in Apostelgeschichte 2:46 "in jedem Haus". Dies würde dem Singular gerecht werden. Erläuternd steht dort noch in Klammern: "= in den einzelnen Häusern". In Apostelgeschichte 20:20 steht: "in (den einzelnen) Häusern". Dies nur marginal, was aber keinen Einfluss auf das Verständnis darüber hat, ob mit katá nun "in Privathäusern" oder "von Haus zu Haus" gemeint ist. Selbst in der Interlinearübersetzung der Wachtturm-Gesellschaft steht in der englischen wörtlichen Wiedergabe "according to houses" (gemäß Häusern). Dort steht nicht "from house to house" (von Haus zu Haus). Entscheidend über das Verständnis darüber, ob nun "von Haus zu Haus" im dem Sinne, wie Zeugen Jehovas es verstehen, gemeint ist oder nicht, wird durch die griechische Präposition katá klar werden.
Zunächst ist festzuhalten, dass katá an all den obigen Stellen "distributiv" (also im übertragenen Sinne) zu verstehen ist. Um zu zeigen, was mit "distributiv" gemeint ist, seien anhand des Grammatikbuches von Bornemann/Risch folgende Beispiele für die distributive Anwendung der Präposition katá angeführt (die griechischen Wörter habe ich transliteriert): kat' ándra = Mann für Mann kath' heméran = täglich kat' étos oder kat' eniautón = alljährlich. Weitere Beispiele für den distributiven Gebrauch (Siehe auch http://www.gottwein.de/GrGr/praepos01.php#kata3): katà dúo tetáchthai = zu zweien aufgestellt sein katà komas oikein = in Dörfern (dorfweise) wohnen katà táxeis = truppweise, abteilungsweise kat' éthne = völkerweise. Die griechische Wendung kat' oikon ließe sich also auch mit "hausweise" übersetzen (oder "Haus für Haus", siehe Exegetisches Wörterbuch zum Neuen Testament, Bd. 2, Sp. 625), denn so heißt z.B. auch katà phyla oder katà éthne "völkerweise" (Griechisch-deutsches Schul- und Handwörterbuch von GEMOLL). Und auch hier wird katá distributiv gebraucht. Im GEMOLL finden sich noch weitere Beispiele. Dort heißt z.B. katà pólin "von Stadt zu Stadt". Kat' ekklesían presbýteroi heißt "die Älteren in jeder Gemeinde [Kirche]". In der Fußnote der NWÜ findet sich zwar zu Apostelgeschichte 5:42 eine ausführlichere Erklärung, wobei theologische Lexika zitiert werden. Aber dennoch lässt die WTG offen, welche Funktion die Präposition katá hier anzuwenden hat.
Dass "Haus zu Haus" auch eine korrekte Übersetzung ist, bestreitet zwar niemand. Aber der Sinn, der hier vermittelt werden soll, ist tendenziös, um nicht den Gedanken aufkommen lassen, Paulus habe in den Häusern gepredigt und gelehrt. Freilich: Es gibt Stellen im Neuen Testament, die aber genau diesen Sinn, wie Zeugen Jehovas es wünschen, zu vermitteln scheinen. In Lukas 8:1 heißt es:
Kurz danach begann er von Stadt zu Stadt [katà pólin] und von Dorf zu Dorf [katà komen] zu ziehen, wobei er predigte…
Die gleiche Wendung begegnet auch in Lukas 13:22. Hier muss man aber bedenken, dass das Verb "ziehen" (gr. diodeuen) ein Satzbestandteil ist. Jesus predigte also "städteweise". Und selbstverständlich erfordert das städteweise predigen, dass man sich aufmacht und in die nächstgelegene Stadt reist oder zieht. In dieser Form begegnen wir jedoch im Neuen Testament niemals "von Haus zu Haus ziehen", also gewissermaßen, dass die Jünger von Haus zu Haus "zogen", um zu predigen. In Lukas 10:7 werden Christen im Gegenteil sogar aufgefordert: "Zieht nicht von einem Haus in ein anderes um". So wie jedoch die WTG den Sinn vermitteln möchte, müsste es im Griechischen demnach heißen: apò oikou eis oikon (von Haus zu Haus). Genau diese Wendung findet sich in Matthäus 23:34: "von Stadt zu Stadt" (apò póleos eis polín). Hier geht es darum, dass Jesus den Schriftgelehrten und Pharisäern sagt, sie würden die Propheten und Weisen "von Stadt zu Stadt verfolgen". Sie werden also nicht "städteweise", also innerhalb jeder einzelnen Stadt verfolgt (katá), sondern von einer Stadt zur nächsten. Die Präposition apó bezeichnet im Griechischen eine Bewegung: "von-weg" oder "von-her". Die Präposition eis bedeutet: "in-hinein" oder "in" (Sinn: wohin?) sowie "auf, nach, zu, gegen". Wenn also Zeugen Jehovas von Haus zu Haus gehen, dann verstehen sie darunter, dass sie sich von einem Haus weg- (apó) und zum nächsten Haus hinbewegen (eis). Sie verstehen es somit nicht distributiv "in den Häusern" oder "hausweise". Mit Fug und Recht könnten sie es jedoch in Bezug auf Heimbibelstudien behaupten. Folgt man der Funktion des griechischen katá, dann antwortet die Übersetzung "von Haus zu Haus" aus meiner Sicht nicht auf die Frage "wohin?", es sei denn, hiermit ist ein Verb wie "ziehen" oder "verfolgen" verbunden, sondern auf die Frage "wie?" oder "wo?". Die Antwort lautet: "hausweise" (als Adverb) oder "in den Häusern". Vergleicht man also die Stellen Lukas 1:8 und Lukas 13:22, wo die Präposition katá begegnet, mit Matthäus 23:34, wo nicht etwa katà vorkommt, sondern ein Substantiv durch zwei Präpositionen (apò und eis) verbunden wird, dann wird klar, dass bei den ersten beiden Stellen Lukas 1:8 und Lukas 13:22 katá den Sinn von "städteweise" vermitteln will und nicht den Sinn: "von (einer Stadt) weg" (apó) zur nächsten Stadt "hin" (eis). Apostelgeschichte 15:21 lässt den Sinn sehr deutlich werden, wenn es dort heißt: Denn seit alten Zeiten hat Moses von Stadt zu Stadt [katà pólin] solche gehabt, die ihn predigen, weil er in den Synagogen an jedem Sabbat vorgelesen wird." Hier geht es darum, dass Moses nicht etwa solche gehabt hat, die "von Stadt zu Stadt" zogen und ihn predigten, sondern, darum, dass es in mehreren Städten (= städteweise oder "Stadt für Stadt") solche gab, die ihn predigten. Und so wird auch klar, wie Apostelgeschichte 5:42 zu verstehen ist. Im Theologischen Wörterbuch zum Neuen Testament (Gerhard Kittel, Gerhard Friedrich) wird erklärt:
…und Ag 5, 42 faßt ebenso zusammen, daß man im Tempel und in den Häusern (kat' oíkon) lehrt und die frohe Botschaft verkündigt. Bd. V, S. 133
Und zu Apostelgeschichte 20:20 wird dort weiter erklärt:
Der Apostel kennt also neben der öffentlichen Volkspredigt eine Unterweisung in den Hausversammlungen der Gemeinde.
Ebd.
Es gibt aber m.E. noch einen weiteren Grund, warum der Sinn, wie es die WTG vermitteln will, nicht zutreffen kann. Im Griechischen steht z.B. in Apostelgeschichte 20:20 didáxai (von der Stammform didásko). Es bedeutet "lehren, belehren, unterrichten". Und so gibt dies auch die NWÜ korrekt wieder. Nun ist es nur schwer vorstellbar, dass man damals von Tür zu Tür zog, um zu "lehren". Man kann sich aber dagegen sicherlich sehr gut vorstellen, dass in den Häusern gelehrt wurde. Zwischen Tür und Angel lässt es sich eben schlecht "unterrichten". Man setzt sich zusammen hin, und dann lehrt oder unterrichtet man. Trotz korrekter, aber tendenziöser Übersetzung in der NWÜ, muss natürlich in den Wachtturmschriften "nachgeholfen" werden, damit die Leser begreifen, was sie unter "Haus zu Haus" eigentlich zu verstehen haben. Damit wird die Grundlage dafür geschafft, Zeugen Jehovas zum Haus-zu-Haus-Dienst zu verpflichten. Auf die Funktionen der Präposition katá wird dabei freilich nicht eingegangen. Es werden lediglich Lexika zitiert, die die Meinung der WTG zu stützen scheinen. Selbst wenn die Christen damals von Tür zu Tür gezogen wären, könnte man daraus keine allgemeinverbindliche Regel ableiten, weil es davon abhängt, in welchem Kulturkreis man lebt. In den USA ist z.B. der Straßendienst nicht üblich. Jedenfalls habe ich es dort noch nie feststellen können. In den Versammlungen der Zeugen Jehovas ("Königreichssaal"), die ich dort besucht habe, haben sich die Brüder und Schwestern immer für den Haus-zu-Haus-Dienst verabredet. Selbst in New York, wo ich zweimal war, habe ich nicht einen Zeugen im Straßendienst gesehen.
So sehr auch die WTG bemüht ist, in ihren Schriften einen Sinn zu vermitteln, den die heilige Schrift nicht hergibt, andere Bibelübersetzungen zeigen deutlich, welchen Sinn kat' oíkous in Wahrheit vermittelt.
(Wenn nicht anders angegeben, sind die Schriftstellen der NWÜ entnommen. Griechische Wörter in Zitaten aus theologischen Lexika werden von mir transliteriert)